BLOG – Die Hirnschleuder

der theatralen subversion

10
01. '14

Die Gang – X ped/t ition #3 – Stephanie Krah

Ganz so neu ist sie in der Gang eigentlich nicht. Schließlich hat sie schon für 1989 [exit ghost] einige Sounddesigns beigesteuert und bei LIEBE ein wenig mit performt. Aber für unsere neue Produktion Terra Cognita ergänzt die Musikerin Stephanie Elizabeth Krah zum ersten Mal als vollwertige Gastkünstlerin unser Kollektiv und deswegen wird es auch höchste Zeit sie offiziell vorzustellen.

Die Musikerin und Sounddesignerin Stephanie Elizabeth Krah Foto:Privat

Die Musikerin und Sounddesignerin Stephanie Elizabeth Krah
Foto:Privat

Stephanie Krah studierte Philosophie-Künste-Medien bei Prof. Dr. Rolf Elberfeld (BA/MA, Universität Hildesheim) und ist seit 2009 (hauptberuflich seit 2013) als freischaffende Musikerin und Performerin in den Bereichen Tanz und Theater tätig.
Während ihres Studiums in Hildesheim machte sie immer wieder mit Liveauftritten als Singer-Songwriterin am Klavier, mit Stimme und verschiedensten Instrumenten an der Loopstation oder mit Begleitband in Musikperformanceprojekten auf sich aufmerksam. Für mehrere Jahre organsierte und moderierte sie die halbjährlich stattfindende Singer-Songwriter-Nacht in der Kulturfabrik Löseke.
Sozialisiert im Umfeld des Theaterhaus Hildesheim, arbeitet sie seit 2009 fest mit dem Tanz- und Performance-Kollektiv wilde pferde (Berlin), das 2010 mit der Produktion “phRasen der Dressur” den Publikumspreis des 100° Festivals in den Berliner Sophiensälen gewann. Außerdem produziert sie Hörspiele, gibt Hörspielworkshops für Kinder und junge Erwachsene und ist vermutlich die erste Philosophin, die ihre phänomenologische Masterarbeit über den Begriff Stimme zu einem Hörstück adaptiert hat.
Für das mit dem Red Dot Award ausgezeichnete Design des MDR Film-Magazins Unicato komponierte und produzierte Stephanie Krah die Musik. Wir freuen uns sehr, dass wir sie als Mitglied unseres Produktionsteams gewinnen konnten.

16
12. '13

Why Norman, why?


Wir basteln an der dritten “X ped/t ition” in Dresden und es wird Zeit zu fragen: Warum? 
Martin hat Norman gelöchert und gefragt, worum sich “TERRA COGNITA“, das am 30. Januar 2014 Premiere haben wird, dreht. Ein Gespräch über eine Reise zwischen Modellen, Bildern, dem Prinzip Kolonialismus und dem Gefühl der permanenten Überforderung:

Presse 1 - Vorschlag no. 6

Ein Ausschnitt aus dem Probenprozess
Foto: Norman Grotegut

Martin Zepter: Lieber Norman, die Konzeption von TERRA COGNITA kam von dir. Kannst du in wenigen Sätzen zusammenfassen, worum es geht?
Norman Grotegut: Richtige Frage zum falschen Zeitpunkt. Es geht in abstrakten Begriffen um Ordnen und Sortieren, Aneignen und Ausdehnen. In konkreteren Begriffen setzen wir uns mit dem Motiv der Reise auseinander. Es geht darum, dass ich immer, wenn ich mich in Bewegung begebe, gleichzeitig Hierarchien produziere. Indem ich Dinge auslasse, also sie nicht beachten kann oder vermeide sie zu beachten oder dadurch, dass ich andere beachte, damit ich mich überhaupt orientieren kann, erschaffe ich Hierarchien und Machtverhältnisse. Und genau damit setzt sich das Stück auseinander und als Symptom davon nehmen wir im Moment noch sehr konkret Formen des Kolonialisierens oder sozusagen der Reibung der westlichen Welt, sobald sie sich in andere Gebiete hineinbegeben hat, und ihre verschiedenen Formen von Ansprüchen oder auch von Selbstverständnissen, die sie da mitgebracht hat.
Und ganz wichtig ist der Gedanke des Modells. Wir sind in der Recherche immer wieder auf das Modell gestoßen. Das Modell als Mittel, als Medium sich Welt anzueignen und Orientierung zu gewinnen. Wie eine Karte, wie ein Globus, die ja beide schon Modelle sind.

M.Z.: Und wie willst du das ästhetisch umsetzen?
N.G.: Es gibt ein großes Objekt, das man sich wie ein aus einem Donut herausgeschnittenes Stück vorstellen kann, das die Vergrößerung eines Teils eines Modells ist. Was heißt das genau? Wir befinden uns auf der Bühne in einem Modell und es gibt dieses Objekt, das ist ein Stück dieses Modells und es dient für diejenigen, die in dieses Modell hineintreten, als Schleuse. Diese Performer kann man als “Recycler” betrachten. Das heißt, sie betreten das Modell und schauen, welche Dinge, welche Begriffe sie in diesem Modell recyclen können, um daraus ein neues Modell zu bauen, das man dann zum Beispiel irgendwo auf einem Markt ökonomisiert verkaufen kann.
Das ist eigentlich das Grundsetting. Und innerhalb dieses Modells gibt es bestimmte Regeln, die müssen herausgefunden werden, die müssen beachtet werden, die können Gefahr oder auch Entspannung verheißen. Die drei Personen auf der Bühne haben auch verschiedene Funktionen. Das heißt es gibt zwei Handwerker die tatsächlich herausschälen, herausschweißen aus dem Modell und es gibt so eine Art Vorarbeiterin, in dem Sinne, dass diese Person notiert, kartografiert und Listen führt, was gerade gefunden wurde und wofür man das vielleicht wieder verwenden kann. Das findet mittels Livezeichnung statt, während das Herausschweißen von Begriffen, von Objekten, von Dingen mittels optischer Geräte passiert.

M.Z.: Hast du einen persönlichen Bezug zu dem Thema?
N.G.: Einerseits kann ich mit historischen Dingen total was anfangen. Andererseits war ich 2010 in Palästina in der Westbank, bzw. besser gesagt in Israel in der Westbank und habe dort in einer NGO gearbeitet und da sind mir sehr deutlich hierarchische Strukturen aufgefallen. Wie man als derjenige, der dahin kommt, wahrgenommen wird oder wie ich und viele meiner Kollegen dort handeln oder wie wir die Einheimischen wahrnehmen. Das war etwas, was mich sehr bewegt hat: Also das Erleben von Hierarchien und ihrer Funktionsweise durch die Reise.

M.Z.: Und was hat das ganze mit Dresden und dem Konzept der X Pe d / t itionen zu tun?
N.G.: Unsere Recherche hat ganz viel mit Dresden zu tun. Wir sind zu Beginn der Proben in Museen und Ausstellungen gegangen und haben Dinge angeguckt. Wie sie präsentiert sind, was da präsentiert wird, wie das kommentiert wird, was das in uns selbst auslöst und haben das hinterher besprochen. Das waren verschiedenste Dresdner Museen: Von dem Museum über Volkskunst über die Technischen Sammlungen, bis hin zu einer Ausstellung im Albertinum, die sich mit Indianerbildnissen des Westens, die Anfang bis Mitte des 19. Jhdts entstanden sind, befasst.
Einerseits ziehen wir unsere Quellen also aus diesem Sachsen, aus diesem Dresden heraus und zum anderen ist der Vorgang der Expedition ja der einer Reise und das haben wir wörtlich genommen, haben Expeditionen in diese Museen gemacht und Expeditionen auch in uns. Und genau das findet sich auch in diesem Stück wieder.

M.Z.: Du zeichnest ja zum ersten Mal hauptverantwortlich für so ein großes Projekt und wir sind inzwischen schon über die Halbzeit des Probenprozesses hinaus. Magst du kurz beschreiben wie es sich bisher für dich anfühlt, den Hut aufzuhaben?
N.G.: Ich fühle mich permanent im Positiven wie im Negativen überfordert. Das ist der Grundzustand. Eine andere Beschreibung wäre, dass mir manche Woche einfach das Hirn auffrisst und ich aber merke, allmählich komme ich in so ein Fahrwasser rein, dass ich sagen kann, ich kann jetzt auch schneller Entscheidungen treffen und fange langsam an, das Ganze in Sack und Tüten zu kriegen.
Jetzt beginnt ja ein ganz anderer, neuer Prozess: Wir haben jetzt eine bestimmte Menge von Texten, das wird sich auch noch erweitern, andere werden rausfallen und manche Kollegen fragen sich auch noch wie das zusammengehen soll mit diesen unterschiedlichen Formen. Aber sei´s drum. In den neuen Prozess werd ich auch irgendwie reinwachsen. Es wird eine Weile brauchen, bestimmt, aber es wird sich zeigen. Es ist eine Herausforderung, es ist auch für mich durch und durch eine Expedition auf sehr vielen Ebenen.


TERRA COGNITA hat am 30.Januar 2014 Premiere im projekttheater dresden
weitere Aufführungen: 31. Januar und 01. Februar 2014

14./15. März 2014
03./04./05. April 2014
und im Rahmen des  X ped/t itionen-Festivals vom 03.-06.Juli 2014

 

28
11. '13

100 Prozent – Ein Gespräch mit Katharina Bill

Katharina Bill spielt bei den Wiederaufnahmen von 1989 [exit ghost] am 29. und 30. November  Foto: Terheyden

Katharina Bill spielt bei den Wiederaufnahmen von “1989 [exit ghost]”
am 29. und 30. November 2013
im Projekttheater Dresden
Foto: Terheyden


Henrike Terheyden: Für die Wiederaufnahmen von „1989 [exit ghost]“ steigst du mitten in eine fertige Produktion als Umbesetzung ein. Wie ist das?

Katharina Bill: Ich habe so etwas noch nie gemacht. Eigentlich ist das ja eine Idee, die aus dem Prinzip Stadttheater kommt, die Idee der Umbesetzung. Ich kann mir das bis jetzt eigentlich gar nicht vorstellen, wenn ich ehrlich bin. Bis jetzt habe ich alles, was ich auf der Bühne gemacht habe, immer von Anfang an selbst mit entwickelt. Aber ich empfinde das als spannende Herausforderung und das ist keine Floskel. Ich finde es spannend einmal nicht dem Wahnsinnsanspruch der Gesamtentwicklung entsprechen zu wollen, sondern auch in ein Thema einzusteigen, das einem vorgesetzt wird und mit Texten umzugehen, die man nicht selber entwickelt hat und nicht von Anfang an mit empfinden konnte. Die Thematik von “1989 [exit ghost]” ist auch eine, auf die ich erstmal nicht gekommen wäre. Ich habe zwar auch schon einmal überlegt ein Stück zur Wende zu machen, aber aus meiner Perspektive. Das wäre eher die des „bösen Besserwessis“ gewesen. Ich kenne dieses Land DDR nur aus dem Geschichtsunterricht und aus den Erzählungen meiner Eltern und habe auch wenig andere Haltung dazu, merke ich.

HT: Was meinst du mit dem Wort „Besserwessi“? Ist das der Ansatzpunkt, der dich auch an dem Stück interessiert?

KB: Ja, genau. Das interessiert mich so, weil ich das selbst erlebt habe. Ich habe in Brandenburg gelebt und da ist mir das Wort „Besserwessi“ sehr oft begegnet. Es gab viel Argwohn, der mir entgegen kam von einer ländlichen Bevölkerung, von den jetzt 60- jährigen, die jetzt in Brandenburg wohnen und auch schon immer da gelebt haben. Ich kam mit meinem komischen Ökoverständnis als junge Mutter in das Dorf. Diese Reibung und auch die Furcht davor abgestempelt zu werden, das wären meine Anknüpfungspunkte für ein Stück gewesen. Ich finde in “1989 [exit ghost]” die Verknüpfung mit Heiner Müller und der Hamlet Maschine sehr schlüssig und sie interessiert mich auch, aber das ist ganz fern von mir, das ist mir ganz fremd.
Für mich ist auch die Wende wirklich Geschichte. Ich habe keine gelebten Erfahrungen mit diesem großen Ereignis. Etwas das bei uns zu Hause nie diskutiert wurde, und was ich selbst auch nie gemacht habe, ist zu fragen: Was ist eigentlich Kommunismus? Was ist das Gute daran, was ist das Schlechte daran? Also die Idee Kommunismus ernst zu nehmen und sich zu fragen, was war da für eine Idee dahinter und was sind die sinnvollen Aspekte dieser Idee? Das habe ich in dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, nie getan. Das war überhaupt nicht linksorientiert sondern sehr an Leistung und Wohlstand.

HT: Ich finde das Zusammendenken von Kunst-Machen und der Frage „Was habe ich, was werde ich und was leiste ich“ schwierig. Erfolg haben wird mit dem Geld verdienen verknüpft und ich finde es im Kunstkontext sehr schwierig mich selbst dagegen abzusetzen. Die Verknüpfung von Geld und Anerkennung ist zentral. Du sprichst von sinnvollen Aspekten anderer Wertesysteme und da taucht bei mir immer die Frage danach auf, wie man sich wehren kann gegen dieses absolute Primat des Kapitals. Ich kann mir vorstellen, dass das wenn man Familie hat, noch viel problematischer ist, man ganz andere Verantwortung trägt….

KB.: Ja das ist ein Kampf und der finanzielle Druck ist mit Familie auf jeden Fall viel höher. Ich kann als Mutter einfach manche Projekte nicht machen, wenn sie low-budget sind. Aber das Bewusstsein für die eigene Wertigkeit, die sich auch in Geld widerspiegelt ist auch nicht nur schlecht. Das ist auch gut, weil man gezwungen ist den eigenen Wert, der sich auch über Geld definiert, zu sehen. Ich finde, dass Künstler generell viel zu wenig auf ihr Recht pochen auch davon leben zu können. Auf der anderen Seite steht ein extremes Zeitproblem. Das ist das richtige Problem! Ich habe mit Kind einfach nicht die Zeit, die andere haben. Wie schaffe ich es, an andere Orte zum Arbeiten zu fahren- wie jetzt nach Dresden- wie kann ich arbeiten und trotzdem mein Kind sehen? Das ist eigentlich fast unlösbar. Wie man es dreht und wendet, es gibt keine guten Bedingungen im Theaterbereich, egal ob staatlich oder freie Szene, für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Und dann kommt auch noch eine Genderthematik dazu. Ich arbeite viel weniger als der Vater meines Kindes, und ich stelle fest: das ist auch nicht nur bei uns so. Männer bekommen oft die Chefdramaturgenposten und die Frauen reduzieren auf eine halbe Stelle. Die machen nicht die Karrieren die ihre Männer machen. Ich freue mich übrigens aber auch darüber mein Kind aufwachsen zu sehen und mein frühes Muttersein hat auch sein Gutes: Ich weiß, dass ich mit 40 spätestens ein Teenagerkind habe und dann kann ich arbeiten, wenn dann meine Kollegen mit dem Kinderkriegen anfangen. Das heißt ich versuche, mich im Gespräch zu halten und meine Kontakte zu pflegen, gute Sachen zu machen auch weiter zu kommen, vielleicht langsamer zu sein als alle anderen, aber dafür dann auch irgendwann reinklotzen zu dürfen. Ich meine ich kann auch sagen, ich habe einen Hardcorejob als Mutter, aber das will natürlich niemand hören.

HT: Was gäbe es für Strukturänderungen, die dir einfielen damit sich Familie und Kunst besser vereinbaren lassen?

KB: Frauen wie Männer müssen sich gleichermaßen bewusst werden, dass man tatsächlich in einer Partnerschaft sehr streng Hälfte Hälfte denken muss. Es hilft nichts zu sagen: Wer grade das bessere Projekt hat, oder wer mit einem Projekt mehr verdient, darf das machen. Man muss wirklich knallhart sagen: egal wer wie viel Geld nach Hause scheffelt, jeder muss von den Arbeitstagen im Jahr die Hälfte arbeiten und der andere die andere Hälfte. Also zeitlich gesehen, damit jeder und jede die Chance hat Projekte zu machen und sich weiterzubilden. Im Rahmen von Projekten ist man ja auch immer „in der Lehre“. Die berufliche Weiterentwicklung macht man ganz konkret nur, wenn man auf der Bühne steht und Projekte macht. Für mich funktioniert das nicht über Bücher. Und daher glaube ich, das ist eine der wesentlich wichtigen Strukturänderung: Ganz streng mit der Arbeitsteilung zu sein.
Eine andere wichtige Sache ist auch wirklich, dass Leute den Mut haben müssen, Mütter mit Kindern und auch Väter ins Ensemble aufzunehmen. Das ist vielleicht einfach gesagt, aber vielleicht auch einfach getan. Da ist dann ganz klar, dass das Kind auch mal mit auf der Probe ist. Ich glaube es ist wichtig auch mal zu akzeptieren, dass nicht jeder immer hundert Prozent geben kann.

HT: Das Hundertprozent-Ding ist ja vielleicht auch ein gesamtgesellschaftliches Problem. Mich strengt das auch total an, dass ich in diesen Projekten alles andere stehen und liegen lassen muss. Man weiß ja auch nie wo die 100 Prozent sind. Man ist ja ständig damit beschäftigt zu sagen: Ah nein, ich hab noch eine halbe Stunde Wachzeit, da kann ich doch jetzt schnell noch was lesen, was schreiben, was denken. Diese 100 Prozent sind außerdem eine total verschiebbare Variable, ich finde das ist schon auffällig in diesem Freien Theaterbetrieb, dass es da sehr biegbare Hundertprozent Grenzen gibt.

KB: Ja! Derjenige der gerade am meisten Kraft und Potenzial hat, sagt wo es lang geht. Der bestimmt wo die 100 Prozent sind.

 

 

26
06. '13

Schönheit, Wahrheit und das Verstörende – Ein Interview mit Hanne Lauch

Detail aus der Liebesschmerzkammer Foto: Hanne Lauch

Detail aus der Liebesschmerzkammer
Foto: Hanne Lauch

Hanne Lauch hat für “Liebe – Fest unkonventioneller Beziehungsformen” die Mammutaufgabe übernommen, das abgewrackte Haus auf dem Ostragelände in einen Palast für die Neugründung der Freien Republik Liebe zu verwandeln. Dafür hat sie zusammen mit Anahí Pérez und Louisa Haring elf Räume für die unterschiedlichen Performances ausgestattet. Ich treffe mich nach dem Projekt mit Hanne in Berlin und frage sie ein bisschen zu ihrer Arbeit aus.

Hast du für das Projekt “Liebe” im Vorhinein schon eine Bildästhetik im Kopf gehabt?
Ja hatte ich, weil es eine bestimmte Ästhetik gibt, die ich im Zusammenhang mit Liebe und Sex assoziiere.

Wie würdest du die beschreiben?
Vom Material her sehr glatt und sehr einfach, so etwas wie “glänzend”, teilweise auch “nass”, aber im Prinzip eigentlich schwarz – weiß (im Sinne von Kontrast). Es geht dann im Prinzip darum,  auf eine leicht verspielte Art die Sachen anders als man es gewöhnt ist, miteinander zu kombinieren.

In der Liebesschmerzkammer Foto: Hanne Lauch

Liebesschmerzkammer
Foto: Hanne Lauch

Wie denkst du? Denkst du eher analytisch, oder stärker assoziativ?
Nein, eher assoziativ. Ich binde Sachen ein, die klischéemäßig materiell zum Thema gehören und versuche dieses Klischée um eine Ebene zu erweitern. Das einfachste Bild, das einem als erstes in den Kopf kommt, übersetze ich einen Schritt weiter in etwas anderes. Aber dieses Einfachste, also zum Beispiel für LIEBE die Tiger auf dem Bett oder Materialien wie Lack – das benutze ich mit, weil es auf jeden Fall dazu gehört. Es geht nicht darum, dem auszuweichen. Dann muss man aber gucken, dass man es so verwendet, dass das gesamte Bild dann einen Schritt mehr machen kann als das Klischée.

Gibt es eine Regel dafür, wie man diesen “einen Schritt mehr” herstellen kann?
Ich finde der “eine Schritt mehr” hat ganz oft etwas mit Humor zu tun, indem man die Sache nicht ganz so ernst nimmt, leicht verdreht, ein bisschen verzerrt. Wichtig ist, etwas sehr Artifizielles draus zu machen. Zum Beispiel dadurch, dass man Wände nicht nur verkleidet und abdeckt, sondern dabei etwas Sinnliches herstellt, also einen Eindruck, den das Material produziert, aufgreift, der grundsätzlich erstmal als ästhetisch oder als schön für sich stehen kann.

Tür zum Hauptraum Foto: Hanne Lauch

Tür zum Hauptraum
Foto: Hanne Lauch

Wenn ich jetzt sagen würde, dass du immer mit dem Aspekt des Verstörenden arbeitest, würdest du sagen, das stimmt?
Ja das stimmt schon. Mich interessiert aber gar nicht immer das Verstörende auf der emotionalen, sondern eher auf einer wahrnehmungstechnischen Ebene. Bei LIEBE haben die Bilder jetzt auch teilweise leicht schlüpfrige Elemente gehabt, die aber eher assoziativ kommen und nicht schon sofort da sind. Das finde ich generell ein gutes Prinzip, weil die Sachen aus ihrem inhaltlich bedeutungsschwangeren Bereich raus müssen, damit sie neu funktionieren können.

Könnte man dann sagen, dass das Ding, was den “einen Schritt” weiter macht, das Verstörende ist?
Ja das kann man so sagen.

Funktioniert das Pferd als Beispiel für deine Arbeitsweise?
Das Pferd hat das Tierische, Bewegung, es hat die schwarze Maske, die an die Sadomasochismus-Szene erinnert, es hat eine Art von Wildheit. Dann ist dahinter aber eine ganz einfache Strichführung an der Wand und zusätzlich haben wir die Tapete so eingerissen, dass sich die Wand in die Strichführung integriert. Dann ist so eine Arbeit für mich rund. Denn es gibt durch die Maske eine direkte Assoziation zum Partyraum (dunkel, nacht…). Dadurch, dass es nicht massiv ausgemalt wurde, sondern letztendlich sehr naiv weitergezeichnet ist, funktioniert es für mich in sich als Kontrast und durch die Verbindung mit der Wand funktioniert es auch in dem Raum.

Das Pferd mit einem Kopf aus Autotür Foto: Philipp Hille

Das Pferd mit einem Kopf aus Autotür
Foto: Philipp Hille

Als du die Autotür gefunden hast, wusstest du schon: Ah das wird ein Pferdekopf? Oder wie laufen diese Prozesse vom Objekt zur Arbeit?
Nee, ich sehe diese Objekte, zum Beispiel eben diese Autotür, und dann habe ich so ein Gefühl: Das brauche ich unbedingt! Oft, weil es in ein ästhetisches Grundschema passt. Dann war die Autotür aber eigentlich zu teuer und ich musste irgendetwas erfinden, warum wir sie unbedingt brauchen. Da habe ich eben gesagt: Man, das wird ein Pferdekopf! Das war dann das einzige was schon ganz früh klar war.
Ich mag es gerne, wenn man einen leicht abgesteckten Raum hat und nicht alle Möglichkeiten. Manchmal entstehen die besten Dinge, wenn man das Material hat und die Räume und sich dann etwas überlegen muss. Dadurch entsteht ein Improvisieren in einer relativen Enge, das finde ich gut.

Fällt dir aus der Ausstattung für LIEBE ein Bild ein, von dem du sagen würdest: Dieses Bild stimmt für mich mit meinem persönlichen Bild von Liebe überein?
Nein. Ich glaube es war eher ein Gesamtbild. Vielleicht die beiden Tiger auf dem Bett. Und auch das Kaninchen, das ist nicht unbedingt ein Sinnbild für Liebe, aber das war stimmig in Schönheit, Wahrheit und Liebe zusammen – in diesem widerlichen Raum, dieses Kaninchen. Liebe funktioniert auch über Schönheit und Wahrheit und diese ästhetische Ebene. Inhaltlich würde ich keine Arbeit auswählen wollen, aber es gibt immer wieder Materialien, von denen ich glaube, dass das Gefühl, das entsteht, wenn man sie ansieht, für sich stehen kann – bei denen man die Sinne einfach so benutzen kann, ohne dass man sie als Übersetzer für etwas Inhaltliches braucht.

Das Kaninchen Foto: Hanne Lauch

Das Kaninchen
Foto: Hanne Lauch

Du machst ja viele Ausstattungen für den Film, stimmt es, dass man da temporärer denken muss? Auf  “Wiederabmachbarkeit” hin?
Ja das war ein Traum, dass wir in dem Haus auf dem Ostragelände machen konnten, was wir wollten und eben nicht nur Farben benutzen durften, die auch überstrichen werden können. Beim Film da gibt es auch manchmal Häuser, da ist es den Leuten egal, was man darin macht, weil sie sowieso renoviert werden. Manchmal darfst du aber auch nicht einen Nagel irgendwo reinschlagen. Das sind dann oft Privatwohnungen von irgendwelchen Leuten, in denen man nichts verändern darf. Deshalb hat dieses Projekt auch ziemlich viel Spaß gemacht.

Und machst du jetzt in Zukunft erstmal weiter Filmprojekte?
Nein grade gar nicht, ich habe jetzt im Winter vielleicht wieder “Morden im Norden”, jetzt grade mache ich einen Stand für die Fashion Week und dann Theater in Basel, wo man anscheinend davon ausgeht, dass ich auf der Bühne stehe….Das wird eine Performance fürs Treibstoff Festival über Katastrophen.

 

21
05. '13

Die Gang- X ped/t ition # 2- Part 2- Hanne Lauch und Anahí Pérez

Bevor es am Freitag losgeht mit der Liebe, geht es erstmal weiter in der prominenten Reihe: Die Gang – Hier stellt die theatrale subversion Künstlerinnen und Künstler vor, die mit uns in den einzelnen X ped/t itionen zusammen arbeiten. Wir verstehen uns mehr als Netzwerk, denn als feste Gruppe und so funktioniert die Arbeit der theatralen subversion über die Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Für das Projekt “Liebe” sind zu unserem Glück neben Elisabeth Lindig noch Hanne Lauch und Anahí Pérez nach Dresden gekommen. Hanne und Anahí ist es zu verdanken, dass die Räume im Haus auf dem Ostralegelände nicht aussehen, wie frisch aus dem Schlachthofbusiness entkommen….

Hanne LAuch

Hanne Lauch

Hanne Lauch, geboren 1983 in Aumühle, SH, studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim. Ihre freiberuflicher Schwerpunkt liegt auf Bühnen- /Kostümbild und Filmausstattung. Im künstlerischen Fokus ihrer Arbeiten stehen Entdifferenzierung und Neukomposition von Material und Objekt. Hanne Lauch lebt in Berlin.

Anahí Pérez

Anahí Pérez

Anahí Pérez, geboren 1985 in Foz do Iguacu/Brasilien, studiert seit 2004 Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim. Ist seit 2007 in der freien Theaterzene als Lichtdesignerin und technische Betreuerin tätig. Zusammenarbeit unter anderem mit den Gruppen theatrale subversion, Theater 11. August und hArt times Theater.
Unter anderem hat sie bei folgenden Projekten mitgearbeitet:
– Theaterfestival „Transeuropa“ (2012: Spielstättenbetreuung Technik. Hildesheim)
– Theaterfestival „State of the Art“ (jährlich seit 2009: Technische Leitung und Betreuung. Hildesheim)
– Theaterfestival „Instant“ (2009 und 2010: Technische Leitung und Betreuung. Hildesheim)
– „Abstracts of men“ (2010: Lichtdesign. Theater 11. August, Regie: Romy Weyrauch. Theaterhaus Hildesheim, LOFFT Leipzig und Maxim-Gorki-Theater Berlin)
– „Best Song of my Life“ (2010: Technische Leitung. hArt times Theater, Regie: Frank Matzke. Fensterzurstadt Hannover, Dock 4 Kassel, LOT Braunschweig, TOT Haarlem/NL)
– “Wählt Wehner!” (2011/2012: Lichtdesign. theatrale subversion, Regie: Martin Zepter. Weinsziehr Hildesheim, Projekttheater Dresden, LOT Braunschweig)

01
05. '13

Die Gang – X pe d/t ition # 2 – Elisabeth Lindig

Mit Elsa in der Badewanne from theatrale subversion on Vimeo.

Bei unserem ersten Workshop in Vorbereitung für “Liebe – Fest unkonventioneller Beziehungsformen” Ende Mai arbeiteten wir unter anderem mit der Idee, während der Workshopzeit halbanonyme Videobotschaften zu formulieren, in welchen man Vorstellungen von möglichen Handlungen beschreiben konnte, die man gerne mal mit einer Person aus der Gruppe machen würde. Dazu konnte man sich jederzeit in einen abgetrennten Raum zurückziehen und diese mit der Kamera aufnehmen. Die Idee dazu wurde schon mal im Rahmen einer Residenz auf Schloss Bröllin von  Mayte Kappel Rovira in Zusammenarbeit mit dem Performancekollektin Animals in Love entwickelt und bei der Abschlusspräsentaion durchgeführt, was zu sehr spannenden Interaktionsmöglichkeiten zwischen Performenden und Zuschauenden führte. (mehr Infos dazu siehe: http://maytekrovira.wordpress.com/)

Elisabeth Lindig (*1986 in Weimar) verbrachte nach der Schule ein Jahr in Amsterdam am Circus Elleboog und ein weiteres am Maxim Gorki Theater Berlin, bevor sie Theater-und Medienwissenschaft in Erlangen studierte. 2011 wechselte sie für den Master ans Institut für Angewandte Theaterwissenschaft nach Giessen.
Ihre künstlerische Arbeit bewegt sich auf Grenze zwischen Performance, partizipativer Installation und Theater im öffentlichen Raum. Letzteres praktizierte sie bereits in ihrer Schulzeit und startete (hauptsächlich auf die Methoden des Theatermachers Augusto Boal gestützt) verschiedene Versuche, die Welt um sie herum auf diese Art stören, hinterfragen und verändern zu können. In Erlangen und Giessen arbeitete Elisabeth unter anderem bei Produktionen von God’s Entertainment, katze und krieg oder Claudia Bosse, mit. Zudem entstanden eigene Arbeiten, die in kollektiver Zusammenarbeit mit anderen jungen Performer_innen aus Erlangen, Giessen, Braunschweig. Hildesheim oder Montreal entwickelt wurden und auf Festivals wie Arena…der jungen Künste, dem Outnow in Bremen, dem Arada Festival in Istanbul, dem Megafon in Bochum oder dem 100° Berlin, zur Aufführung kamen. Seit 2010 ist sie Mitbegründerin und Mitglied des Performancekollektivs Hysterisches Globusgefühl (http://hysterischesglobusgefuehl.wordpress.com).

Bei der theatralen subversion ist sie als Gastperformerin bei dem dem Projekt: „Liebe – Fest der unkonventionellen Beziehungsformen“ dabei.

 

 

 

11
12. '12

Die Gang – Part 4 – Norman Grotegut

Tadddddda! Der echte, waschechte Dresdner der theatralen subversion:

© KENDIKE

Norman Grotegut (*1982 in Dresden / Sachsen) studierte in Landau in der Pfalz (Sprechwissenschaften und Anglistik) und in Hildesheim (Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis). Seine Studien schloss er 2011 mit dem Diplom ab. Derzeit lebt er in Berlin und arbeitet als freier Sprecher, Schauspieler, Dokumentar- und Animationsfilmer, sowie als Medienpädagoge. Sein persönlicher Schwerpunkt liegt dabei in den dokumentarischen Erzählformen.

Er arbeitete bei verschiedenen Musik- und Sprechtheaterproduktionen als Regieassistent bevor er in Hannover beim theater fensterzurstadt in mehreren Produktionen („five spot after dark” und in der Reihe „Hannover mon amour”) zu sehen war. Außerdem arbeitete er an drei abendfüllenden Dokumentarfilmen als Kameramann mit (u.a. “Im besten Alter” mit Sendetermin auf ARD 1 extra) und gab medienpädagogische Workshops u.a. an der Universität Hildesheim, in der Beiersdorf AG und dem Cinema Jenin in Palästina.

 

07
12. '12

Die Gang – Part 3 – Thimo Teiche

© KENDIKE

 

THIMO TEICHE ist 1987 in Berlin geboren und zunächst aufgewachsen, bevor die große Flut ihn 2002 nach Dresden spülte. Es folgten Abitur, Zivildienst, Ehrenamt und 2007/08 Australien, Neuseeland und Thailand. Seit 2008 studiert er an der TU Dresden Soziologie. Nach langjährigem Mini-Job in einem kapitalistischen Großbetrieb ist er seit 2011 als studentische Hilfskraft an der TU tätig. Nebenbei (oder hauptsächlich?) ist er mit verschiedenen Projekten in der Dresdner Musikszene engagiert, die sich in den Genres Rock, Jazz und HipHop austoben. Er ist Gitarrist der Noise-Core-Irgendwas-Combo dieflower, die zurzeit ihr zweites Album produzieren; er spielt Tenor-Saxophon beim Torsten-Richter-Trio, welches offizielle Anlässe jeglicher Art musikalisch begleitet. Außerdem unterstützt er die Beat-Produktion des Dresdner Artist JOCA von den KapuDDniks für einen organischen Klang und ist live bei dessen Konzerten mit seinen Instrumenten vertreten.

03
12. '12

Die Gang – Part 2 – Annika Stadler

Alles andere als BLA BLA (auch wenn das auf dem Kostümentwurf steht, den müssen wir noch diskutieren)….

© KENDIKE

Annika Stadler wird 1983 in Stuttgart geboren, wächst in Reutlingen, dem Tor zur schwäbischen Alb auf und überrascht dennoch mit klarem Hochdeutsch. Sie studiert nach dem Abitur an der Universität in Leipzig Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Komparatistik. Neben verschiedenen Studentenprojekten in Leipzig spielt sie 2003-2008 als Choristin in Inszenierungen von Volker Lösch am Staatsschauspiel Dresden ( Die Orestie, Die Weber, Woyzeck). Sie arbeitet mehrfach als Regieassistentin am Maxim-Gorki-Theater Berlin, sowie an den Sophiensaelen Berlin und mit der Performancegruppe SIGNA am Centraltheater Leipzig. Mit dem Regisseur David Marton arbeitet sie seit 2005 als Assistentin und Künstlerische Mitarbeiterin. Von 2010 bis 2012 ist sie als Dramaturgieassistentin und Dramaturgin am Thalia Theater in Hamburg tätig und ist seitdem hauptberuflich als Dramaturgin und Autorin in Berlin in verschiedenen Arbeitskonstellationen auf der Suche nach Geld, Zufriedenheit, Glück und Unsterblichkeit, was aber nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge absolviert werden muss, aber wenn einige Punkte davon vor ihrem 30ten Geburtstag absolviert werden, wäre sie recht erfreut.

02
12. '12

Die Gang – Part 1 – Sascha Aaron Hermeth

Ok zugegeben, die Zeichnung ist etwas entfremdend, Sascha guckt eigentlich nicht so. Wir schieben dieses Faux-Pas auf die Zeichnung und die Brille…

© KENDIKE

SASCHA AARON HERMETH wurde 1975 in Hamburg geboren und lebt seit 2011 in Dresden. Nach der Gründung und dem Engagement in Projekten des Theaterkollektivs Fischfell (Berlin), dem berufsbegleitenden Besuch der Michael- Tschechow- Schauspielschule Berlin (MTSB), der Gründung des Performance- Vereins IPAH e.V., dem Studium am Institut für Theater und Medien der Uni Hildesheim sowie dem Arbeitsstipendium für das Theaterfestival ‘Le Off‘ in Avignon (Frankreich) steht er u.a. für Zuckerhut Theaterprodukt (Hildesheim), für dieChorbühne Tritonus (Dresden) sowie als Industrieschauspieler in Wirtschaftsunternehmen (Hannover, Wolfsburg, Bochum, Stuttgart) auf der Bühne. Für den Regisseur Niklas Kammermeier stand er in den Expo- Filmstudios Hannover in ‘Der Tausch‘ vor der Kamera und spielte jeweils 2011 und 2012 mit Fischfell im Finale des Versionale Theaterfestivals auf der Bühne der Ernst Busch- Schauspielschule am Theater ParkaueBerlin sowie im Societätstheater Dresden. Seit 2011 leitet er Schauspielkurse für die Bühne der TU- Dresden und investiert seine Erfahrungen aus Regieassistenzen am Thalia Theater Hamburg, am Stadttheater Bern, für Theater Plan B, am Ballhaus Naunynstraße Berlin und amStaatsschauspiel Dresden in seine theaterpädagogische Arbeit für das Mittelsächsische Theater und das TPZ Dresden.