Detail aus der Liebesschmerzkammer Foto: Hanne Lauch

Detail aus der Liebesschmerzkammer
Foto: Hanne Lauch

Hanne Lauch hat für “Liebe – Fest unkonventioneller Beziehungsformen” die Mammutaufgabe übernommen, das abgewrackte Haus auf dem Ostragelände in einen Palast für die Neugründung der Freien Republik Liebe zu verwandeln. Dafür hat sie zusammen mit Anahí Pérez und Louisa Haring elf Räume für die unterschiedlichen Performances ausgestattet. Ich treffe mich nach dem Projekt mit Hanne in Berlin und frage sie ein bisschen zu ihrer Arbeit aus.

Hast du für das Projekt “Liebe” im Vorhinein schon eine Bildästhetik im Kopf gehabt?
Ja hatte ich, weil es eine bestimmte Ästhetik gibt, die ich im Zusammenhang mit Liebe und Sex assoziiere.

Wie würdest du die beschreiben?
Vom Material her sehr glatt und sehr einfach, so etwas wie “glänzend”, teilweise auch “nass”, aber im Prinzip eigentlich schwarz – weiß (im Sinne von Kontrast). Es geht dann im Prinzip darum,  auf eine leicht verspielte Art die Sachen anders als man es gewöhnt ist, miteinander zu kombinieren.

In der Liebesschmerzkammer Foto: Hanne Lauch

Liebesschmerzkammer
Foto: Hanne Lauch

Wie denkst du? Denkst du eher analytisch, oder stärker assoziativ?
Nein, eher assoziativ. Ich binde Sachen ein, die klischéemäßig materiell zum Thema gehören und versuche dieses Klischée um eine Ebene zu erweitern. Das einfachste Bild, das einem als erstes in den Kopf kommt, übersetze ich einen Schritt weiter in etwas anderes. Aber dieses Einfachste, also zum Beispiel für LIEBE die Tiger auf dem Bett oder Materialien wie Lack – das benutze ich mit, weil es auf jeden Fall dazu gehört. Es geht nicht darum, dem auszuweichen. Dann muss man aber gucken, dass man es so verwendet, dass das gesamte Bild dann einen Schritt mehr machen kann als das Klischée.

Gibt es eine Regel dafür, wie man diesen “einen Schritt mehr” herstellen kann?
Ich finde der “eine Schritt mehr” hat ganz oft etwas mit Humor zu tun, indem man die Sache nicht ganz so ernst nimmt, leicht verdreht, ein bisschen verzerrt. Wichtig ist, etwas sehr Artifizielles draus zu machen. Zum Beispiel dadurch, dass man Wände nicht nur verkleidet und abdeckt, sondern dabei etwas Sinnliches herstellt, also einen Eindruck, den das Material produziert, aufgreift, der grundsätzlich erstmal als ästhetisch oder als schön für sich stehen kann.

Tür zum Hauptraum Foto: Hanne Lauch

Tür zum Hauptraum
Foto: Hanne Lauch

Wenn ich jetzt sagen würde, dass du immer mit dem Aspekt des Verstörenden arbeitest, würdest du sagen, das stimmt?
Ja das stimmt schon. Mich interessiert aber gar nicht immer das Verstörende auf der emotionalen, sondern eher auf einer wahrnehmungstechnischen Ebene. Bei LIEBE haben die Bilder jetzt auch teilweise leicht schlüpfrige Elemente gehabt, die aber eher assoziativ kommen und nicht schon sofort da sind. Das finde ich generell ein gutes Prinzip, weil die Sachen aus ihrem inhaltlich bedeutungsschwangeren Bereich raus müssen, damit sie neu funktionieren können.

Könnte man dann sagen, dass das Ding, was den “einen Schritt” weiter macht, das Verstörende ist?
Ja das kann man so sagen.

Funktioniert das Pferd als Beispiel für deine Arbeitsweise?
Das Pferd hat das Tierische, Bewegung, es hat die schwarze Maske, die an die Sadomasochismus-Szene erinnert, es hat eine Art von Wildheit. Dann ist dahinter aber eine ganz einfache Strichführung an der Wand und zusätzlich haben wir die Tapete so eingerissen, dass sich die Wand in die Strichführung integriert. Dann ist so eine Arbeit für mich rund. Denn es gibt durch die Maske eine direkte Assoziation zum Partyraum (dunkel, nacht…). Dadurch, dass es nicht massiv ausgemalt wurde, sondern letztendlich sehr naiv weitergezeichnet ist, funktioniert es für mich in sich als Kontrast und durch die Verbindung mit der Wand funktioniert es auch in dem Raum.

Das Pferd mit einem Kopf aus Autotür Foto: Philipp Hille

Das Pferd mit einem Kopf aus Autotür
Foto: Philipp Hille

Als du die Autotür gefunden hast, wusstest du schon: Ah das wird ein Pferdekopf? Oder wie laufen diese Prozesse vom Objekt zur Arbeit?
Nee, ich sehe diese Objekte, zum Beispiel eben diese Autotür, und dann habe ich so ein Gefühl: Das brauche ich unbedingt! Oft, weil es in ein ästhetisches Grundschema passt. Dann war die Autotür aber eigentlich zu teuer und ich musste irgendetwas erfinden, warum wir sie unbedingt brauchen. Da habe ich eben gesagt: Man, das wird ein Pferdekopf! Das war dann das einzige was schon ganz früh klar war.
Ich mag es gerne, wenn man einen leicht abgesteckten Raum hat und nicht alle Möglichkeiten. Manchmal entstehen die besten Dinge, wenn man das Material hat und die Räume und sich dann etwas überlegen muss. Dadurch entsteht ein Improvisieren in einer relativen Enge, das finde ich gut.

Fällt dir aus der Ausstattung für LIEBE ein Bild ein, von dem du sagen würdest: Dieses Bild stimmt für mich mit meinem persönlichen Bild von Liebe überein?
Nein. Ich glaube es war eher ein Gesamtbild. Vielleicht die beiden Tiger auf dem Bett. Und auch das Kaninchen, das ist nicht unbedingt ein Sinnbild für Liebe, aber das war stimmig in Schönheit, Wahrheit und Liebe zusammen – in diesem widerlichen Raum, dieses Kaninchen. Liebe funktioniert auch über Schönheit und Wahrheit und diese ästhetische Ebene. Inhaltlich würde ich keine Arbeit auswählen wollen, aber es gibt immer wieder Materialien, von denen ich glaube, dass das Gefühl, das entsteht, wenn man sie ansieht, für sich stehen kann – bei denen man die Sinne einfach so benutzen kann, ohne dass man sie als Übersetzer für etwas Inhaltliches braucht.

Das Kaninchen Foto: Hanne Lauch

Das Kaninchen
Foto: Hanne Lauch

Du machst ja viele Ausstattungen für den Film, stimmt es, dass man da temporärer denken muss? Auf  “Wiederabmachbarkeit” hin?
Ja das war ein Traum, dass wir in dem Haus auf dem Ostragelände machen konnten, was wir wollten und eben nicht nur Farben benutzen durften, die auch überstrichen werden können. Beim Film da gibt es auch manchmal Häuser, da ist es den Leuten egal, was man darin macht, weil sie sowieso renoviert werden. Manchmal darfst du aber auch nicht einen Nagel irgendwo reinschlagen. Das sind dann oft Privatwohnungen von irgendwelchen Leuten, in denen man nichts verändern darf. Deshalb hat dieses Projekt auch ziemlich viel Spaß gemacht.

Und machst du jetzt in Zukunft erstmal weiter Filmprojekte?
Nein grade gar nicht, ich habe jetzt im Winter vielleicht wieder “Morden im Norden”, jetzt grade mache ich einen Stand für die Fashion Week und dann Theater in Basel, wo man anscheinend davon ausgeht, dass ich auf der Bühne stehe….Das wird eine Performance fürs Treibstoff Festival über Katastrophen.