Das Berliner “MAGAZIN” publiziert eine Ausgabe explizit zum Thema “Dritte Generation Ostdeutschland” und thematisiert vor allem die Frage nach einem anderen Umgang mit der Jetztzeit dieser Generation im Vergleich zu ihren in Westdeutschland aufgewachsenen AltersgenossInnen. Zu Wort kommen unter anderem Christian Fuchs, Autor des Buches “Die Zelle”, Sabine Rennefanz Autorin der “Eisenkinder”, Andrea Hanna Hünninger, ebenfalls Autorin (“Das Paradis, meine Jugend nach der Mauer”), irgendwie auch Kraftklub und auch Romy Weyrauch, die von ihren Motivationen zu 1989 [exit ghost] spricht.
Die Autorin der Titelstory Manuela Thieme legt ein besonderes Augenmerk auf die Frage, wie die gemachte Erfahrung der Umbruchszeit 1989 die Lebensrealität und die Sicht der Dinge der Menschen beeinflusst haben könnte. Dabei geht es ihr nicht nur um die Offenlegung einer eventuell stärker ausgeprägten Konfliktfähigkeit der im Osten aufgewachsenen, sondern auch um die Orientierungslosigkeit vieler Menschen in einer Zeit, in der rechtsextremes Gedankengut auf fruchtbaren Nährboden fällt. Thieme fragt also immer wieder: Wie lebt die Dritte Generation Ost anders als ihre AltersgenossInnen aus dem Westen? Welche anderen Erfahrungen haben sie so geprägt, dass sie spürbar anders sind als die “Wessis”.
Thieme öffnet dabei ein Spektrum innerhalb dieser Dritten Generation, sie spricht mit Romy von dem Bedürfnis “verschüttete Gefühle” wieder auszubuddeln und gemeinsam als Generation zu thematisieren. Das meint den Selbstfindungsprozess, in dem die Dritte Generation Ostdeutschland sich gerade befindet und die darin liegenden Möglichkeiten neue Diskurse zu eröffnen und deutlich sagen zu können, erstens dass es da ein Problem gibt und zweitens wie es aussieht. Genau diese Beschäftigung mit sich selbst sieht Andrea Hanna Hünninger kritisch. Sie wünscht sich mehr Aktionismus und eine stärkere Handlungsbereitschaft der Initiative ” Dritte Generation Ostdeutschland”, die Hünninger mit dem Therapiebedarf der Anonymen Alkoholiker vergleicht.
Diesen Aktionismus findet Thieme jedoch in den Gruppierungen der Neonazis und dem “bitteren Phänomen” NSU. Beate Zschäpe ist nicht nur Teil der NSU, sondern lässt sich auch definitorisch der Dritten Generation zuordnen, die zwischen 1975 und 1985 in der DDR geboren und aufgewachsen sind. Zschäpe stellt also das Extrem dar. Das rechtsextreme Gedankengut, das ihren Terrorismus innerhalb und mit der NSU fütterte wird im öffentlichen Diskurs oft als das Gegenteil von dem dargestellt, was die “Dritte Generation Ostdeutschland” tut, wenn sie sich erstmal findet, um über sich selbst zu reden.
Diese Dichotomie ist jedoch äußerst problematisch. Denn auch wenn zwischen diesen beiden Extrempositionen im öffentlichen Diskurs immer wieder Positionen aus dem Mittelfeld auftauchen, und der Versuch unternommen wird das breite Spektrum innerhalb einer Generation auszuleuchten, gelingt es oft nicht die stereotypen Kontrapunkte aus dem Osten zu dekonstruieren: Entweder Schluffi oder Nazi. Im Mittelfeld spielen die Autoren Christian Fuchs und John Goetz, die sich in ihrer Publikation “Die Zelle” mit dem spezifisch ostdeutschen der NSU- Mitglieder (“welche ostdeutschen Spurenelemente finden sich in den Verbrecherkarrieren?”) auseinandersetzen, die Ost-Band Kraftklub, und Autorinnen wie Jana Hensel und Sabine Rennefanz mit Bezeichnungsversuchen für eine Generation, die über das Kindsein nicht hinaus zu kommen scheint: “Eisenkinder”, heißt das Buch von Rennefanz und “Wendekinder” das von Jana Hensel. Wenn sich auch viele der zu dem Thema “Dritte Generation Ostdeutschland” erschienenen Publikationen explizit mit dem rechtsradikalen Einschlag einer verunsicherten Generation auseinandersetzen, bleibt noch zu hoffen, dass das Wort “Zukunft” häufiger und mutiger in den Diskussionen mit und um diese Dritte Generation Ost auftaucht.
Thieme spiegelt das mittlerweile sehr breite Spektrum innerhalb dessen sich die Diskussion um die Dritte Genration Ostdeutschland bewegt, von zahlreichen Publikationen, über Bands bis eben hin zu eben Theaterproduktionen, in denen es durchaus um die Frage nach einer Handlungsmöglichkeit in der Zukunft geht. Die öffentliche, politische Diskussion darum bleibt jedoch sehr in den Dichotomien der Vergangenheit verhaftet. So fragt auch Thieme nach den Utopien dieser Generation zwischen dem Rückzug ins Private und dem Bedürfnis der Aufarbeitung und schließt vorerst mit der Zukunft der theatralen subversion: “Das nächste Stück, an dem Weyrauch mit ihren Kollegen von der theatralen subversion arbeitet, wird sich mit Beziehungsmustern außerhalb des Mainstreams beschäftigen”.