BLOG – Die Hirnschleuder

der theatralen subversion

04
12. '12

Why Romy why?

Die Idee und Anfangskonzeption unseres aktuellen Projektes 1989 [ exit ghost ] kommt von Romy Weyrauch, die jetzt auch Regie führt. In einem kurzen Text reißt Romy an, was sie interessiert an dem Thema, an der Zeit, an dem Ding:
„Diese Zeit – 89/90 – die geht mich was an, weil ich da geboren bin – in diesem Land, das es seitdem nicht mehr gibt. Weil dort in kürzester Zeit alles von Kopf bis Fuß umgekrempelt wurde und ich das mitbekommen habe. Weil ich die Krisen meiner orientierungslosen Eltern mitbekommen habe, die nach dem Fall der Mauer ständig gegen irgendwelche neuen Mauern knallten, während sie versuchten, sich in diesem neuen Land irgendwie zurecht zu finden. Der Umbruch 89/90 traf die Bürger der ehemaligen DDR mit einer Wucht, die in der jüngeren Geschichte ihresgleichen sucht. Aber er traf eben nicht nur sie, sondern auch uns – ihre Kinder. Und wie kann es sein, dass wir – die heute Mitte Zwanzig bis Dreißigjährigen – in zwei verschiedenen Ländern aufgewachsen sind und niemals wirklich darüber reden? 
Wenn ich an dieses Land denke, ist da auf jeden Fall eine große Emotion. Und das sage ich nicht, weil ich die DDR wieder haben will. Denn diese DDR nervt auch: Was geht mich dieses Land an? Was hab ich damit zu schaffen? Warum kann mich dieses Land nicht in Ruhe lassen? Das soll weggehen, dieses Land! Mein Verhältnis zur DDR ist skuril. Denn immer, wenn ich versuche es zu beschreiben, habe ich Wortfindungsstörungen. Und ich glaube, das hängt damit zusammen, dass ich erlebt habe, wie schwierig es ist, mir über einen untergegangenen Staat Klarheit zu verschaffen, wenn er in der Öffentlichkeit entweder permanent als Unrechtsstaat STASI STASI STASI oder als die wunderbare Welt von früher nostalgisch verklärt wird. Mein Großvater spricht auf jeden Fall von dieser DDR, von einer besseren DDR, von einer, wie sie hätte sein können, aber bestimmt nicht war. Und weil niemand jemals ernsthaft behauptet hat, die DDR sei ein besseres Land gewesen, musste ich ihm natürlich misstrauen – von Anfang an.
Es ist aber auch schwierig eine Haltung gegenüber diesem Staat zu entwickeln, wenn gesagt wird: Hey, nee, das haben wir jetzt schon echt ausführlich aufgearbeitet. Das Thema ist durch! Da musste jetzt nicht noch mal mit ankommen! Und solche Reaktionen gehen gleichzeitig einher mit meinem eigenen Unbehagen, dass mich das überhaupt beschäftigt, noch beschäftigt. 22 Jahre nach der Deutschen Einheit! Denn ich habe doch gelernt Deutschland als Ganzes und nicht in den Kategorien Ost/ West zu denken. Und: Ist denn nicht schon alles gesagt? Haben wir dieses Kapitel Deutscher Geschichte nicht schon längst befriedigend aufgearbeitet? Sind wir Deutschen nicht schon längst ein Volk? Oder ist das nur eine Wunschvorstellung, die sich über die letzten Jahre etabliert zu haben scheint? Auf jeden Fall sollten wir – die heute Mitte Zwanzig bis Mitte Dreißigjährigen – beginnen festgefahrene Wiedervereinigungsnarrative zu hinterfragen. Und mit dem Blick auf die jüngere Geschichte unseres Landes anfangen, unsere eigenen Schlüsse zu ziehen.“

Romy Weyrauch (*1983 in Erfurt/Thüringen) wuchs in Berlin auf und studierte in Exeter/GB (Drama) und bis 2011 in Hildesheim (Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis) mit Abschluss Diplom. Vor dem Studium war sie 3 Jahre Ensemblemitglied des Jugendtheaters P14 der Volksbühne Berlin. Im Rahmen eines FKJ hospitierte sie ein Jahr am Schauspiel Leipzig, führte dort ihre erste Regie und arbeitete anschließend als Regieassistentin für Armin Petras („krieg böse 5″). Während des Studiums war sie neben theatrale subversion für das Theater Knallbombom und Theater 11. August als Spielerin und Regisseurin tätig.
Ihre Diplominszenierung „abstracts of men“ wurde u.a. am Maxim Gorki Theater Berlin im Rahmen des Osterfestivals der Kunsthochschulen 2010 gezeigt. 2011 war sie Jurymitglied des Internationalen Festivals für junges Theater – Explosive! am Schlachthof Bremen.