Wir basteln an der dritten „X ped/t ition“ in Dresden und es wird Zeit zu fragen: Warum? Martin hat Norman gelöchert und gefragt, worum sich „TERRA COGNITA„, das am 30. Januar 2014 Premiere haben wird, dreht. Ein Gespräch über eine Reise zwischen Modellen, Bildern, dem Prinzip Kolonialismus und dem Gefühl der permanenten Überforderung:
Martin Zepter: Lieber Norman, die Konzeption von TERRA COGNITA kam von dir. Kannst du in wenigen Sätzen zusammenfassen, worum es geht?
Norman Grotegut: Richtige Frage zum falschen Zeitpunkt. Es geht in abstrakten Begriffen um Ordnen und Sortieren, Aneignen und Ausdehnen. In konkreteren Begriffen setzen wir uns mit dem Motiv der Reise auseinander. Es geht darum, dass ich immer, wenn ich mich in Bewegung begebe, gleichzeitig Hierarchien produziere. Indem ich Dinge auslasse, also sie nicht beachten kann oder vermeide sie zu beachten oder dadurch, dass ich andere beachte, damit ich mich überhaupt orientieren kann, erschaffe ich Hierarchien und Machtverhältnisse. Und genau damit setzt sich das Stück auseinander und als Symptom davon nehmen wir im Moment noch sehr konkret Formen des Kolonialisierens oder sozusagen der Reibung der westlichen Welt, sobald sie sich in andere Gebiete hineinbegeben hat, und ihre verschiedenen Formen von Ansprüchen oder auch von Selbstverständnissen, die sie da mitgebracht hat.
Und ganz wichtig ist der Gedanke des Modells. Wir sind in der Recherche immer wieder auf das Modell gestoßen. Das Modell als Mittel, als Medium sich Welt anzueignen und Orientierung zu gewinnen. Wie eine Karte, wie ein Globus, die ja beide schon Modelle sind.
M.Z.: Und wie willst du das ästhetisch umsetzen?
N.G.: Es gibt ein großes Objekt, das man sich wie ein aus einem Donut herausgeschnittenes Stück vorstellen kann, das die Vergrößerung eines Teils eines Modells ist. Was heißt das genau? Wir befinden uns auf der Bühne in einem Modell und es gibt dieses Objekt, das ist ein Stück dieses Modells und es dient für diejenigen, die in dieses Modell hineintreten, als Schleuse. Diese Performer kann man als „Recycler“ betrachten. Das heißt, sie betreten das Modell und schauen, welche Dinge, welche Begriffe sie in diesem Modell recyclen können, um daraus ein neues Modell zu bauen, das man dann zum Beispiel irgendwo auf einem Markt ökonomisiert verkaufen kann.
Das ist eigentlich das Grundsetting. Und innerhalb dieses Modells gibt es bestimmte Regeln, die müssen herausgefunden werden, die müssen beachtet werden, die können Gefahr oder auch Entspannung verheißen. Die drei Personen auf der Bühne haben auch verschiedene Funktionen. Das heißt es gibt zwei Handwerker die tatsächlich herausschälen, herausschweißen aus dem Modell und es gibt so eine Art Vorarbeiterin, in dem Sinne, dass diese Person notiert, kartografiert und Listen führt, was gerade gefunden wurde und wofür man das vielleicht wieder verwenden kann. Das findet mittels Livezeichnung statt, während das Herausschweißen von Begriffen, von Objekten, von Dingen mittels optischer Geräte passiert.
M.Z.: Hast du einen persönlichen Bezug zu dem Thema?
N.G.: Einerseits kann ich mit historischen Dingen total was anfangen. Andererseits war ich 2010 in Palästina in der Westbank, bzw. besser gesagt in Israel in der Westbank und habe dort in einer NGO gearbeitet und da sind mir sehr deutlich hierarchische Strukturen aufgefallen. Wie man als derjenige, der dahin kommt, wahrgenommen wird oder wie ich und viele meiner Kollegen dort handeln oder wie wir die Einheimischen wahrnehmen. Das war etwas, was mich sehr bewegt hat: Also das Erleben von Hierarchien und ihrer Funktionsweise durch die Reise.
M.Z.: Und was hat das ganze mit Dresden und dem Konzept der X Pe d / t itionen zu tun?
N.G.: Unsere Recherche hat ganz viel mit Dresden zu tun. Wir sind zu Beginn der Proben in Museen und Ausstellungen gegangen und haben Dinge angeguckt. Wie sie präsentiert sind, was da präsentiert wird, wie das kommentiert wird, was das in uns selbst auslöst und haben das hinterher besprochen. Das waren verschiedenste Dresdner Museen: Von dem Museum über Volkskunst über die Technischen Sammlungen, bis hin zu einer Ausstellung im Albertinum, die sich mit Indianerbildnissen des Westens, die Anfang bis Mitte des 19. Jhdts entstanden sind, befasst.
Einerseits ziehen wir unsere Quellen also aus diesem Sachsen, aus diesem Dresden heraus und zum anderen ist der Vorgang der Expedition ja der einer Reise und das haben wir wörtlich genommen, haben Expeditionen in diese Museen gemacht und Expeditionen auch in uns. Und genau das findet sich auch in diesem Stück wieder.
M.Z.: Du zeichnest ja zum ersten Mal hauptverantwortlich für so ein großes Projekt und wir sind inzwischen schon über die Halbzeit des Probenprozesses hinaus. Magst du kurz beschreiben wie es sich bisher für dich anfühlt, den Hut aufzuhaben?
N.G.: Ich fühle mich permanent im Positiven wie im Negativen überfordert. Das ist der Grundzustand. Eine andere Beschreibung wäre, dass mir manche Woche einfach das Hirn auffrisst und ich aber merke, allmählich komme ich in so ein Fahrwasser rein, dass ich sagen kann, ich kann jetzt auch schneller Entscheidungen treffen und fange langsam an, das Ganze in Sack und Tüten zu kriegen.
Jetzt beginnt ja ein ganz anderer, neuer Prozess: Wir haben jetzt eine bestimmte Menge von Texten, das wird sich auch noch erweitern, andere werden rausfallen und manche Kollegen fragen sich auch noch wie das zusammengehen soll mit diesen unterschiedlichen Formen. Aber sei´s drum. In den neuen Prozess werd ich auch irgendwie reinwachsen. Es wird eine Weile brauchen, bestimmt, aber es wird sich zeigen. Es ist eine Herausforderung, es ist auch für mich durch und durch eine Expedition auf sehr vielen Ebenen.
TERRA COGNITA hat am 30.Januar 2014 Premiere im projekttheater dresden
weitere Aufführungen: 31. Januar und 01. Februar 2014
14./15. März 2014
03./04./05. April 2014
und im Rahmen des X ped/t itionen-Festivals vom 03.-06.Juli 2014